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Interview mit  fiber. werkstoff für feminismus und popkultur

Salon Fähige Kunst?

 Im Sommer 2015 wurde das Theaterkollektiv Institut für impliziten Ekel gegründet, das insbesondere feministische Performance-Kunst fördert. Das folgende Interview wurde mit Nicole Szolga, Kaśka Bryla und Dolores Winkler aus dem Kollektiv geführt.

 

Am 22. Juni fand die Neuinszenierung des Stückes Salon Fähig im Rahmen der Matzleinsdorfer Festspiele im sogenannten Feuerwerkshäuschen statt. Wieso habt ihr euch dafür entschieden, gerade diesen ungewöhnlichen Ort zu bespielen?

 

N: Bei dem Feuerwerkshaus handelt es sich um ein 20 m2 großes ehemaliges Geschäft für Feuerwerkskörper, das ansonsten leer steht. Es ist ein „Unort“ direkt neben der Schnellstraße, der auch als Grenze zum schicken, aufgewerteten Vorzeigeprojekt – dem „Sonnwendviertel“ – gelesen werden kann. Hier beginnt auch die Zone des Arbeiterstriches und der Laufhäuser. Mir als Künstlerin ist es wichtig, Orte jenseits der herkömmlichen Kulturtempel zu bespielen, weil sich dort spannendere Fragen hinsichtlich der Art der Inszenierung, Lesarten und Erreichbarkeit eines Publikums stellen. Ich sehe hier auch einen politischen Auftrag, indem ich mir die Frage stelle, für wen ich eigentlich Kunst mache.

D: Der Matz Platz ist so wunderbar hässlich, mit Kirche gegenüber, dem Arbeiterstrich vis a vis, schlechter Luft und einem Friedhof. Eigentlich ein perfekter Ort, um verschiedenste Frauen übers Leben, Scheitern, Lieben, etc. philosophieren zu lassen.

K: Dem will ich mich gerne anschließen. Als ich das Stück geschrieben habe, wollte ich, dass es eines wird, das in seinen Inszenierungsmöglichkeiten sehr flexibel ist. Ein Stück, das sich fluide in verschiedenste Räumlichkeiten ausbreiten kann, das sowohl von einer als auch mehreren Darstellerinnen auf die Bühne, die Straße und, und, und, gebracht werden kann. Weil sich politische, künstlerische Fragestellungen eben nicht begrenzen lassen.

 

Bei dem Stück steht das Thema Sexarbeit im Vordergrund, warum ist euch das ein Anliegen?

 

N: Das hat sich in dem kollektiven Erarbeiten des Stückes ergeben. Wir haben uns zu Beginn am Matzleinsdorfer Platz getroffen und die Frage gestellt, was wir mit diesem Ort machen können. Dabei ist uns die spezifische Lage des Feuerwerkshauses aufgefallen, das sich gegenüber der Triester Straße mit seinem Rotlichtmilieu befindet. Wir waren uns schnell einig, dass sich das Thema Sexarbeit geradezu aufdrängt und eine künstlerische Annäherung diesbezüglich allen Beteiligten sinnvoll erschien. Gerade weil über dieses Thema kaum noch berichtet wird.

 

Ihr versteht euch als politisches Kunstkollektiv und betont eure kollektive Arbeitsweise. Theater-/Kunstproduktion ist ansonsten sehr hierarchisch strukturiert, wie können wir uns einen kollektiven Schaffensprozess in diesem Rahmen vorstellen?

 

N: Wir kommen alle aus spezifischen, einschlägigen Fachrichtungen und bringen ein gewisses Knowhow mit. In regelmäßigen Treffen werden Ideen, Skizzen und Vorstellungen ausgetauscht und miteinander besprochen. Nachdem eine grobe Inszenierungsskizze entworfen ist, gehen alle gemeinsam in den Prozess der Umsetzung. Im Gegensatz zu klassischen Produktionsweisen sind alle gleichermaßen in die Inszenierung eingebunden. Das hat den Vorteil, dass die Performerinnen genauso am Bühnenbild mitgewirkt haben und die technischen Abläufe kennen, was die Arbeit insofern vereinfacht, dass mitgedacht und aufeinander Bezug genommen wird. Ein weiterer Vorteil des partizipatorischen Arbeitens ist, dass ständig neue, kreative Ideen entwickelt werden, und sich das Stück dadurch immer wieder verändert und besser und stärker wird.

D: Ich komm ja vom klassischen Theater, steh total auf Handwerk und Form, vermisse aber einen Diskurs mit Leuten, die von gewissen Dingen wirklich ne Ahnung haben. Um es mal sehr polemisch zu sagen: ich find´s ganz furchtbar, wenn bürgerliche Zimmerpflanzen versuchen, eine Subkultur abzubilden. Da graust mir immer ganz arg und ärgern tut´s mich auch. Natürlich herrschen in den klassischen Betrieben auch Hierarchien vor, aber auch bei uns gibt es eine gewisse Arbeitsteilung, basisdemokratisch würd ich´s nicht nennen. A la –  jeder darf mal mitmachen, nee so nicht. Es wird viel gestritten, diskutiert und überlegt, also eh ganz normal eigentlich.
K: Ich war ja den Großteil der Zeit bei den Vorbereitungen für den Matzleinsdorfer Platz nur via Skype beteiligt. Sprich, das Kollektiv hat sich getroffen, und dann wurde mir über die Treffen berichtet. Was für Ideen dabei aufgekommen sind. Wenn etwas am Text verändert werden sollte, habe ich mit den Performerinnen der jeweiligen Figuren geskypt und besprochen, was vielleicht noch fehlt, was länger ausgeführt werden sollte, was besser zu dem Ort passen könnte. Danach habe ich mich hingesetzt und umgeschrieben. Zuerst hat es sich ungewohnt angefühlt. War ja irgendwie mein fertiges Stück. Aber bald habe ich das Potenzial darin gesehen und versucht, die Figuren in ihrer Art stärker an die Performerinnen anzupassen. Das fand ich ziemlich spannend.

 

Eine derartige Herangehensweise ist am Kunstmarkt eher unüblich, wie werdet ihr dort wahrgenommen?

 

D: Ist nicht unbedingt gängig, aber es gibt mittlerweile viele, wirklich tolle und auch nicht ganz unerfolgreiche Kollektive, ob in Wien, Berlin oder Brüssel. Da tut sich einiges, und das ist bei der Theaterlandschaft auch absolut nötig. Ja, wie werden wir wahrgenommen - ich hoffe, wir werden überhaupt wahrgenommen, dann können wir übers wie reden.

N: Der gängige Kunstmarkt unterliegt wie jeder Markt den ökonomischen Bedingungen eines kapitalistischen Systems. Ein/e Künstler_in wird dort wie eine Aktie gehandelt, der Wert von Angebot und Nachfrage reguliert, dabei ist die Autor_innenschaft von großer Bedeutung. Investiert die/der Käufer_in in ein Kunstwerk, dann investiert diese/r somit in den Namen bzw. in eine Marke. Kollektives Kunstmachen ist schwerer zu verkaufen, weil es die/den Autor_in nicht mehr gibt, sondern ein Kollektiv im Vordergrund steht, das auch einen kollektiven Anspruch auf das Endresultat erhebt und damit die Logik des Marktes stört. Dadurch, dass sich aber immer mehr Menschen zusammenschließen, um gemeinsam Kunst zu machen, kann ich mir gut vorstellen, dass sich diesbezüglich an der Wahrnehmung einiges ändern wird.

 

Euer Kollektiv besteht ausschließlich aus *Frauen*. Ihr habt ja alle schon in gemischtgeschlechtlichen Gruppen gearbeitet, welche Unterschiede fallen euch auf und was war die Intention, sich auf *Frauen* zu fokussieren?

 

N: Als wir das Kollektiv gegründet haben, war uns klar, dass wir nicht ausschließlich für Frauen produzieren wollen, aber den Fokus stärker auf spezifische Blickwinkel richten werden. Mit den Augen einer lesbischen Frau gesellschaftliche Prozesse zu betrachten, erweitert nicht nur den hetero-normativ strukturierten Horizont, sondern stört ihn auch. Was mir auffällt, ist, dass wenn Frauen miteinander zu arbeiten beginnen, dann läuft das nicht unbedingt harmonischer, aber die Konzentration hinsichtlich der Themen ist eine andere. Irgendwie komplexer und vielschichtiger.

K: Für mich hat sich das eher so ergeben. Ich hätte auch kein Problem damit gehabt, wenn eine Rolle von einem Mann oder einer Transperson performt worden wäre. Außerdem besteht unser Kollektiv ja nicht nur aus Frauen. Es arbeiten auch Männer mit.

 

Gibt es sowas wie den weiblichen Blick auf die Kunstproduktion und was beinhaltet dieser?

 

N: Ich denke, den gibt es, aber der fällt vielleicht anders aus, als wir es erwarten würden. Wenn man mit Inszenierungen arbeitet, dann hat man es schlussendlich immer mit einem Publikum zu tun, welches den alten, sexistischen Blick auf die Frau reproduziert. Es wäre naiv, das zu ignorieren, aber damit bewusst zu arbeiten, damit zu spielen und diesen zu irritieren, eröffnet wiederum einen Raum im Kunstmachen.

Die Frage stellt sich ja auch den Performerinnen. Indem sie sich auf der Bühne bewegen, präsentieren sie sich zwar augenscheinlich selbstbestimmt, doch erst wenn sie über diese Selbstbestimmung selbst zu verfügen beginnen, kann man von einer emanzipatorischen Arbeitsweise zu reden beginnen. Deswegen arbeiten wir auch kollektiv.

D: Ich glaube nicht, dass es den weiblichen oder männlichen Blick gibt. Es gibt allerdings die weibliche Position am Kunstmarkt, die nicht  besonders toll ist, und schon gar nicht am Theater. Leider.
K: (lacht) Ja. Da gehe ich mit Dolores mit. Bei der weiblichen Position am Kunstmarkt.

 

Wie sehen eure Zukunftsvorstellungen aus, habt ihr schon weitere Stücke geplant?

 

N: Das Kollektiv hat eine Reihe von Inszenierungen geplant. Eine Neuauflage des Stückes „Interview mit freakigen Frauen“ ist jetzt im Herbst zu sehen. Gleichzeitig schreibt Kaśka gerade an einem neuen Stück. Und dann ist auch noch eine Performance in Leipzig geplant.

K: Unmengen. Ich weiß gar nicht wo anfangen.

 

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